Frei nach dem Film

„Ich bin noch nicht bereit, den Preis zu zahlen!“, platzt es aus ihm heraus, zorniger als geplant, „noch nicht!“ 

Sie schaut ihn durchdringend an. Obwohl er erst Anfang dreißig ist, hat er müde Augen, als wäre er um ein Vielfaches älter, geprägt von Schrecken und Verlusten. Doch seine gesamte Erscheinung spricht unmissverständlich zu ihr: Ich habe gelebt! 

Sie kann sich seiner melancholischen Ausstrahlung mit diesem stechenden Blick kaum entziehen. Hätte er sie jemals gefragt, sie wäre ihm mit Haut und Haaren erlegen gewesen, gerade weil sein ritterliches Wesen es niemals ausgenutzt hätte. 

„Diese Sinnlosigkeit seiner Taten muss endlich ein Ende haben, er muss vollkommen wahnsinnig geworden sein“, entfährt es ihr mit flehender Stimme, „du kannst Dich nicht länger vor ihm verstecken. Es geht nur noch um Euch beide.“ 

Er starrt auf die wunderschönen Objekte im Schaufenster seines kleinen, unauffälligen Ladens, seit mehr als sechs Generationen in familiärer Hand. Da die Nacht hereinbricht, sieht er sein Spiegelbild in der Glasscheibe und den teils hochpolierten Antiquitäten.

Trotz des gepflegten Interieurs erahnt niemand, dass hinter dem Ladenlokal ein Luxusloft verbogen ist, welches sich über zwei Stockwerke erstreckt. Über einen uralten Industrie-Lastenaufzug erreichbar, finden sich Waffen, Rüstungen und viele andere Antiquitäten, teils millionenschwer, eingefasst von exotischen Pflanzen und Prachtexemplaren von Möbeln aus der Moderne. Sie fristen ihr Dasein ähnlich der Person, die sie bewacht.
Sie, eine bildschön gereifte, etwa sechzigjährige Dame mit einer Haut wie Elfenbein und einem adretten Äußeren, tritt auf ihn zu und umarmt ihn voller Warmherzigkeit. 

Sie spürt seine Lebenskraft, die sie augenblicklich absorbiert. Muskeln, die sie durch den Mantel spüren kann, schmiegen sich an ihren Körper und der Duft nach Leder steigt ihr in die Nase. Niemals hätte sie ihre Erregung ihm gegenüber offen kundgetan, dennoch scheint er es nicht nur zu bemerken, er weiß es. Seine fast unheimliche Empathiefähigkeit erleichtert es ihr nicht. 

Er hingegen genießt diese liebevolle Zuwendung; das hat er immer getan. Zu mehr als mütterlichen Umarmungen und Küssen auf die Wange hat sie ihn in den Jahren nach dem großen Krieg nie verleiten können. Ihr wird bewusst, ihr gesamtes Leben auf eine unbeantwortete Liebe gesetzt zu haben; eher ein Schutzengel für ihn zu sein. 

„Es hat uns wohl endlich eingeholt“, raunt er, strafft seinen Rücken und wendet sich ihr zu, „es konnte ja auch nicht ewig so weiter gehen.“ 

Sein vielsagender Blick macht ihr zum ersten Mal Angst. „Auch, wenn Du ihn endgültig von seinem Wahnsinn befreist, kehrst Du nicht wieder zu mir zurück?“, entgegnet sie ihm mit ihren schlimmsten Befürchtungen. Aufsteigende Verlustangst und eine tief verdrängte Eifersucht lassen sie bei dieser neuen Klarheit erzittern. Sie verliert ihn nach über fünfzig Jahren des Wartens in jedem Fall. Sie muss ihn ziehen lassen.

Endlich ist er bereit, seinen geheiligten Boden, den vermeintlichen Schutz zu verlassen und seiner Nemesis auf der finalen Zusammenkunft entgegen zu treten. Im Blick den Preis der Freiheit, eine Familie zu gründen, alt zu werden und sterben zu können. „Letzten Endes kann es nur einen geben!“, hört er im Geiste erneut die Worte seines alten Mentors und Freundes.

Am 13. Februar 2020 frei nach dem Film Highlander um 8:30 Uhr