Eine Kurzgeschichte frei nach dem gleichnamigen Gedicht

Er will nicht sprechen. Irgendwie steckt ihm von der unruhigen Nacht noch immer ein Kloß im Hals und ein schaler Geschmack macht sich breit.

Nein, sprechen möchte er nicht, auch wenn die liebevolle, so sehr vertraute Stimme neben ihm wie gewohnt versucht, ihn in ein kleines Gespräch zu verwickeln:
„Mir geht es jetzt viel besser.“, haucht sie ihm zu.

Die Schrecken der Nacht lösen sich langsam auf und die frische Kühle kriecht an seinen Beinen empor. In den letzten Wochen sitzt er sehr oft hier und genießt die Ruhe und Unschuld des noch jungen Morgens.
Das tiefe Blau und die frische Luft geben ihm Kraft für einen weiteren Tag.

„Ich bin schon immer gern hier gewesen.“, klingen ihre Worte wie Musik in seinen Ohren. Er fühlt sich dabei ertappt Zeit zu gewinnen, weil er immer noch nicht weiß, wie er angemessen auf diese Worte reagieren soll. Verlegen reibt er sich den Nacken und gähnt herzhaft. Er traut sich nicht, kurz neben sich zu schauen, nicht einmal einen kurzen Blick aus den Augenwinkeln.

„Ruf doch einfach mal an, die ganze Welt ist voll mit einsamen Menschen, nur weil sie darauf warten, daß der andere sich zuerst meldet.“
Dieser unglaublichen Güte in ihrer Stimme und dieser einfachen Weisheit ist einfach nichts entgegenzusetzen.

Aus Schwarz wird Blau, ein wunderbares Tiefblau und das Leben scheint zurückzukehren.
Eine Joggerin, die immer von ihrem Hund begleitet wird, lächelt und nickt ihm zu.
„Was für eine freundliche junge Dame, sie grüßt immer, obwohl sie keine Reaktion erhält, nie.“, klingt die Stimme nicht tadelnd und dennoch fühlt er sich ermahnt.
Der Hund bleibt jedes mal kurz stehen und starrt auf den Platz neben ihm ins Leere, bevor er wieder mit großer Freude seinem Frauchen folgt.
Am Horizont sieht er langsam den großen Feuerball aufsteigen und warme Tränen laufen über sein Gesicht.

Heute ist etwas anders, eine neue Klarheit.
Mit einer neuen festen Absicht geht er heute nach Hause und will unbedingt den ersten Schritt machen, anzurufen.
Bevor er geht, wendet er sich mit tiefer Dankbarkeit an die vertraute Stimme neben sich und lächelt dabei ins Leere.
Mit trocknenden Tränen verabschiedet er sich heute zum ersten Mal und wirkt dabei etwas unbeholfen: „Bis morgen vielleicht?“

Er atmet tief ein und genießt die ersten warmen Sonnenstrahlen dieses neuen Tages voller Zuversicht.

Im Januar 2020 in Anlehnung an das gleichnamige Gedicht um 13:30 Uhr